Coronavirus: Erlass des Bundesbauministeriums zu vergaberechtlichen Fragen
Das Bauministerium zum Umgang mit den durch die COVID-19-Pandemie auftretenden vergaberechtlichen Fragen die folgenden Hinweise:I. Fortsetzung von Ausschreibungen
Ausschreibungsreife Gewerke sind weiterhin zu vergeben. Planungen sind fortzusetzen und weitere Bauvorhaben zur Ausschreibung zu führen.
II. Rückgriff auf Verhandlungsverfahren und freihändige Vergaben aufgrund besonderer Dringlichkeit
Um eine schnelle und effiziente Durchführung von Vergabeverfahren zu gewährleisten, hatte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bereits mit Erlass vom 19. März 2020 (vgl. Anlage) eine Erleichterung von Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb aufgrund besonderer Dringlichkeit im Bereich von Liefer- und Dienstleistungen angeordnet. In der aktuellen Situation der Ausbreitung des Coronavirus sollen Bauleistungen in besonders gelagerten Fällen daher ebenfalls schnell und verfahrenseffizient vergeben werden. Dies gilt für Bauaufträge, die der Eindämmung der COVID-19-Pandemie dienen. Hierfür kommen z.B. in Betracht:
- kurzfristige Schaffung zusätzlicher Kapazitäten im Krankenhausbereich,
- Umbauten und Ausstattung zur Erhöhung der Anzahl von Videokonferenzräumen,
- Einbau von Trennwänden zur Separierung mehrfach belegter Büros.
Die Aufzählung ist ausdrücklich nicht abschließend, entscheidend ist jedoch, dass die Bauaufträge der Eindämmung der Pandemie dienen. Für diese Bauaufträge soll der Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 19. März 2020 analog angewendet werden. Bei Baumaßnahmen, die nicht der Eindämmung der COVID-19-Pandemie dienen, ist der vorgenannte Erlass vom 19. März 2020 nicht anzuwenden.
III. Hinweis auf Umgang mit Bauablaufstörungen
Für neu abzuschließende Verträge ist den Ausschreibungsunterlagen ein Hinweisblatt zum Umgang mit Bauablaufstörungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beizufügen (vgl. Anlage). In der Aufforderung zur Angebotsabgabe ist das Hinweisblatt im Anlagenverzeichnis unter Buchstabe A) aufzunehmen. Mit dem Hinweisblatt wird klargestellt, dass die Folgen der COVID-19-Pandemie für den einzelnen Bauvertrag weiterhin unvorhersehbar sind, der Tatbestand der höheren Gewalt also auch bei Neuverträgen ausgelöst werden kann. Neu abzuschließende Verträge sind insoweit also in gleicher Weise zu behandeln wie Bestandsverträge.
Im Hinweisblatt wird darauf hingewiesen, dass das Vorliegen der strengen Voraussetzungen für die Annahme höherer Gewalt auch in der jetzigen Ausnahmesituation nicht pauschal angenommen werden, sondern im Einzelfall geprüft werden muss. Grundsätzlich muss derjenige, der sich darauf beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Beruft sich der Unternehmer also auf höhere Gewalt, muss er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann. Das kann z.B. der Fall sein, weil
- ein Großteil der Beschäftigten behördenseitig unter Quarantäne gestellt ist und er auf dem Arbeitsmarkt oder durch Nachunternehmer keinen Ersatz finden kann,
- seine Beschäftigten aufgrund von Reisebeschränkungen die Baustelle nicht erreichen können und kein Ersatz möglich ist,
- er kein Baumaterial beschaffen kann.
Kostensteigerungen sind dabei nicht grundsätzlich unzumutbar.
Falls das Vorliegen höherer Gewalt im Einzelfall angenommen werden kann, verlängern sich Ausführungsfristen automatisch um die Dauer der Behinderung zzgl. eines angemessenen Zuschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten (§ 6 Abs. 4 VOB/B). Beruft sich der Auftragnehmer nach den o.g. Maßstäben zu recht auf höhere Gewalt, entstehen gegen ihn keine Schadens- oder Entschädigungsansprüche. Bei höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor.
IV. Vorlage aktueller Bescheinigungen
Können Unternehmen trotz rechtzeitiger Beantragung von Dritten ausgestellte Bescheinigungen (z.B. Unbedenklichkeitsbescheinigungen) nicht rechtzeitig beibringen, weil sich die Ausstellung infolge der COVID-19-Pandemie verzögert, ist an Stelle der Bescheinigung eine Eigenerklärung darüber, dass die Voraussetzungen für die Erteilung weiterhin bestehen, zuzulassen, wenn alle der folgenden Voraussetzungen gegeben sind:
- Eine kürzlich abgelaufene Bescheinigung kann vorgelegt werden.
- Es bestehen keine begründeten Zweifel, dass das Unternehmen auch nach Ablauf der Gültigkeit seinen für die Ausstellung der Bescheinigung erforderlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.
- Der Antrag zur Ausstellung der geforderten Bescheinigungen ist der Eigenerklärung beizufügen. Die Antragseinreichung ist entbehrlich, wenn die ausgebende Stelle offenkundig ihre Tätigkeit vorübergehend eingestellt hat.
Für die Fortführung der Präqualifizierung von Unternehmen, die wegen der Corona-Pandemie die nachfolgenden Nachweise nicht rechtzeitig vorlegen können, wird die Leitlinie vorübergehend ergänzt:
- Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG
- Enthaftungsbescheinigung SOKA BAU
- Unbedenklichkeitsbescheinigung BG Bau
- Gewerbeanmeldung, Handelsregisterauszug, Eintragung Handwerksrolle
Bezüglich dieser Nachweise kann das Unternehmen zunächst eine entsprechende Eigenerklärung und die Vorlage des Antrags auf Erteilung des Nachweises vorlegen. Dadurch ist sichergestellt, dass das Unternehmen trotz fehlenden Nachweises weiter im Präqualifikationsverzeichnis geführt werden kann. In diesem Fall wird das Unternehmen bis zur Vorlage der Bescheinigung(en), längstens für die Dauer von drei Monaten, nicht aus der PQ-Liste gestrichen. Die Regelung gilt zunächst für einen Übergangszeitraum von 6 Monaten, also bis zum 19. September 2020.
V. Angebots-/Vertragsfristen
Soweit die Terminsituation der Baumaßnahme es zulässt sind zur Erhaltung des Wettbewerbes in den Vergabeunterlagen die Angebotsfristen und ggf. die Vertragsfristen (z.B. Beginn der Baumaßnahme) der aktuellen Situation angepasst zu bemessen und ist bei Eingang von darauf gerichteten Anträgen der Unternehmen der Fristablauf für alle Unternehmen in gleichem Maße möglichst zu verschieben. Gleiches gilt in Bezug auf Teilnahmeanträge und auf Gespräche in Verhandlungsverfahren.
VI. Eröffnungstermin entsprechend § 14a VOB/A
Kann wegen Zugangsbeschränkungen zu den Dienstgebäuden oder Kontaktverboten kein Eröffnungstermin stattfinden, ist zunächst zu prüfen, ob das Ausschreibungsverfahren ausschließlich elektronisch, also über die e-Vergabe-Plattform stattfinden kann. Ist elektronische Vergabe nicht möglich, sind die Bieter über den Entfall des Eröffnungstermins zu informieren. In diesem Fall ist ein Öffnungstermin entsprechend § 14 VOB/A durchzuführen. In Ausschreibungsverfahren sind den Bietern die Angaben gemäß § 14 Absatz 3 Buchstabe a bis d VOB/A unverzüglich im vereinbarten Kommunikationsweg zur Verfügung zu stellen.
VII. Vertragsstrafen
In Anbetracht der durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufenen Unsicherheiten hinsichtlich der Bauabwicklung sind Vertragsstrafen nur im Ausnahmefall vorzusehen.
VIII. Geltungsdauer
Die Regelungen gelten bis auf Weiteres. In Anbetracht der sich dynamisch entwickelnden Situation kann der Erlass jederzeit ergänzt oder auch geändert werden.